Nackt an der Himmelstür zu klopfen, mag Wunsch oder unausweichliches Schicksal sein – beim IRXN-Konzert war es das Schlussstück, in bajuwarischem Idiom: „Naggat an da Himmesdüür“, und da geht auch nichts mit einem Bob-Dylan-Knocking, da wird ordentlich „genackelt“ an den Türen beim Stil-Wirt!
Vier alte Hasen und eine neue Geigerin: Ob der Hase ein keltisches Krafttier ist, muss offen bleiben; fest steht, dass Trixi Weiss, die neue Geigerin, die den eigene Wege gehenden German Heimrath bei IRXN ersetzen durfte, sich kraftvoll eingeführt hat in die Irxn, in jenes Kraftpaket, das sich aus dem bairischen Wort für Achsel schnürt und eigentlich das dieser innewohnende „Irxnschmoiz“ meint.
IRXN: Das ist Bernie Maisberger, Gitarrist und Sänger, der auch für die Texte zeichnet, die, poetisch und provokant verpackt in einen musikalischen Mantel aus keltischer Mythologie, ungarischen Zigeunerklängen und bajuwarischen Folk-Rock, ein Füllhorn an Geschichten in die wieder einmal volle Stube des Stil-Wirt schütteten; das sind der donnernde Bass und die allmächtige Tuba von Peter Gschwandtner, und das ist Markus Traurig, der – non est nomen omen – in aufblühender Spielfreude ein wuchtiges rhythmisches Feuer entfacht – und das nur mit Becken, Cajón und Bongos bewaffnet; das ist Reinhold Alsheimer, Gitarrist, Wolnzacher und fränkisch-bajuwarischer Kelte im Schottenrock, dessen Instrument – bisweilen magisch –Takt und Rhythmus zusammenhält.
TRIXIRXN, Trixi und Irxn, TR’IRXN: Das ist nun auch Trixi Weiss, helle Geigerin im schwarzen Keltenkleid. Noch hielt sie sich wohl ein bisschen zurück mit ihrem Instrument, in einigen Passagen aber ließ sie doch ihr Talent, ihren Mut zur spontanen Improvisation aufblitzen, als sie mit Reinhold Alsheimers Gitarre in den Off-Beat schmeckte, bis sie der Takt der IRXN wieder aufnahm im mächtigen Strom dieses „Celtic Bavarian Hardfolk“. Trixi Weiss wird kommen, mit „Irxnschmoiz“ und Geigenharz, das zeigte ihr souveräner Auftritt beim Stil-Wirt kraftvoll und deutlich.
Auch ein mitreißendes Konzert hat mal ein Ende, und ein perfektes Konzert gehorcht – völlig frei von Ironie – dem Grundsatz „Wenn man aufhört, ist es am Schönsten“: Denn dann kommt Wirt „Muskel“ Appel auf die Bühne, bringt seine Mundharmonika mit und intoniert mit „Irxn“ und IRXN „Knocking On Heaven’s Door“ – auf Bairisch, bis die Wände „nackeln“, weil die Nackten klopfen an der Himmelstür und das Publikum nicht mehr aufhören will zu klatschen.
Dann kann nichts mehr kommen – außer, wie es in einem wunderschönen Song dieses IRXN-Abends hieß, wir lassen Drachen steigen und lachen uns Tränen ins Herz. Bis zum nächsten Mal und dann wieder!
Mittwoch, 7. November 2012
Dienstag, 6. November 2012
Bavarisch aufrecht sei der Mensch – lobreich und gut
Also gut, das hatten wir schon mal: Der Hauptplatz sei „rechteckig wie eine Haustüre“, so beginnt der Roman „Der Zwischenfall“ von Joseph Maria Lutz. „Oben steht die Kirche mit einem hohen Turm“, schreibt er weiter, „unten schließt das Rathaus den Platz ab. Auf dem Marktplatz haben die Geschäftsleute ihre stolzen Häuser, und dazwischen stehen, rechts und links gerecht verteilt, acht Brauereien“. Ja, Pfiefkas, wieder eine weniger!
Die Zeiten ändern sich; „the times they are a-changing“ singen ein paar wilde Gestalten am Marienbrunnen, doch ahnen sie es damals bereits, als ihre Stimmen sich – von der Freude über das bestandene Abitur beschwingt, geölt von jenem billigen, leicht perlenden roten Wein aus dem nahen Lebensmittelladen, den übrigens auch der Zahn der Zeit weggefressen hat – in den Nachthimmel der frühen 70-er Jahre erhoben, dass auch der „Bortenschlager“, dieses zu den besten Häusern am Platz gehörende Gasthaus, den Weg alles Irdischen zu gehen hat? Sicher nicht. Denn diese jungen Herrschaften nämlich, zum Teil gar Mitglieder des ersten Abiturjahrgangs am kaum ein Jahrzehnt zuvor gegründeten Schyren-Gymnasium, durften in den Räumlichkeiten des „Bortenschlager“ die mehr oder weniger offizielle Feier ihrer Matura begehen, eines Zeugnisses, das immens gewichtig die Vergangenheit mit einer großen Zukunft verbindet. Erschwerend – für langen Bestand im ja eher zur Flüchtigkeit neigenden Schülergedächtnis – kam noch hinzu, dass die Gassenschänke dann, wenn des roten Weines letztes Tröpfchen über den Flaschenhals gekippt war, stets ein offenes Ohr hatte und eine gnädige Hand, die, auf klingelnde Anforderung, ein abschließendes Flaschen-Bier reichte für die Feiernden am Brunnen, der damals bei Insidern trotzdem vorübergehend den Namen „Fontana di Lambrusco“ tragen durfte – warum also sollte ausgerechnet dieses Gute vergehen?
Die Zeiten sind vorbei. Die Zeiten sind immer vorbei, wenn wir den Blick nach hinten richten. Genug der Nostalgie. Die Kugel, auf der wir unser Bier und unseren Wein trinken, dreht sich weiter – Gejammer hin, Gejammer her –, ob wir es wollen oder nicht. Das Gute geht, das Gute kommt ¬ mit aufrechtem Gang, so wie es sich auch für einen homo erectus gehörte, der frech behauptet, er hätte die letzten zwei Millionen Jahre dazu genutzt, sich zum homo sapiens fortzubilden. Lasst uns also lobreich in die Gegenwart blicken und nicht ständig rummäkeln an dem, was früher scheinbar viel besser war und heute so ist, wie es ist.
Schön und gut, wird der durchreisende Architekt sagen, aber wäre nicht eine Fassade im neoromantischen Stil näher am Original gewesen, hätte diese nicht viel mehr den Geist der alten Brauerei Bortenschlager widergespiegelt, den Esprit des Fasses und des Bieres klares Gluckern? – Schön und gut, wird der durchreisende Esoteriker sagen, hätte es nicht auch ein bescheidener Tempel der Kontemplation getan, mit Sphärenklang und Schalengong? Musste es denn wirklich ein K&L sein, mit Jobcenter und Arge?
Ja. Außerdem bleibt uns immer noch der Marienbrunnen, in dem jetzt die Enkel derer plantschen, die ihn vor vier Jahrzehnten „Fontana di Lambrusco“ nennen durften. Und irgendwann, wahrscheinlich 2112 im März, wenn Bagger rollen und der K&L einem Fresstempel – in spaciger Optik und mit Mini-Plutonium-Kraftwerk auf dem Flachdach – weichen muss, sitzen bestimmt mäkelnde Urururur-Enkel am Marienbrunnen und seufzen: „Meiomei, der K&L, war er nicht schön?“
Wenn ich das noch erleben dürfte.
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