Dienstag, 7. August 2012

Und oder Oder oder Oder und Und


Manchmal, also selten, beginnen die Tage so gemütlich, dass ich bei einem Blick in die bunten Blätter, die der Tageszeitung ein schöneres Gesicht verleihen, nicht das Gefühl habe, Zeit zu vergeuden. Und so fällt mir der „Geburtstagsrabatt“ ins Auge: „Wenn Sie in diesem Jahr ein runden Geburtstag feiern oder im Monat Oktober ein neues Lebensjahr beginnen, bezahlen die Geburtstagskinder für diese Reise anstatt € 1439,– nur € 1039,– pro Person.“ Pro Person müsste er nicht hinzufügen, der Prospekt; ich fühle mich schon als Person angesprochen – und zwar doppelt. 

Die Reise gehe nach Peking, ins Land der aufgehenden Sonne, ins Land des Lächelns, ins Land des letzten Kaisers (irgendwie), ins Land von Mao Tse-tung, den man heutzutage Mao Zedong schreiben darf, in die Stadt der Kaiser und Paläste. Ich wollte noch nie – höchstens zu Maos Zeiten, und da nur in peripheren Regionen meiner grauen Zellen – nach China – oder doch: War nicht auch Karl May da, als „Blauroter Methusalem“? – oder in dessen Hauptstadt, aber nun, bei diesem Angebot sollte ich wohl zugreifen. Denn: Ich feiere in diesem Jahr einen runden Geburtstag – und ich beginne im Oktober ein neues Lebensjahr. Der Oktober gilt wohl deshalb als Kriterium, weil die besagte China-Reise zu eben diesem Zeitpunkt stattfinden soll.

Alles scheint einfach und klar im Licht der aufgehenden Sonne. Dieses Angebot wendet sich sowohl an Menschen, die in diesem Jahr einen runden Geburtstag feiern, und auch an Menschen, die im Oktober geboren sind. Beides trifft auf mich zu. Zwei mal 400 Euro ergeben nach allen Regeln der Mathematik 800 Euro. Für € 639,– würde sogar ich nach Peking fahren. Ich rufe im Reisebüro an und lege die Tatsachen auf den Tisch: „Ich… Peking… runder Geburtstag… Oktober… zwei Fliegen mit einer Klappe… 639 Euro!“

Der nette Herr am anderen Ende der Leitung, der mich aus der Warteschleife erlöst, steht mit beiden Beinen auf der Erde: „Eine Klappe, eine Fliege“, sagt er, „aber Sie können sich entscheiden, ob sie den Rabatt für den runden oder für den Oktober-Geburtstag in Anspruch nehmen!“ Ich glaube, vorher hat er sogar kurz gelacht. Sieht so aus, als wäre ich nicht der Erste, der mit dieser Rechnung bei ihm anklopft. Es bleibt bei € 1039,–. „Ich werde drüber nachdenken“, sage ich.

Wenn ich im Lotto einen Sechser tippe oder wenn ich bei Spiel 77 alle Ziffern richtig habe, bekomme ich einen Gewinn – sozusagen einen Rabatt auf meinen Einsatz. Wenn ich im Lotto einen Sechser tippe und wenn ich bei Spiel 77 die letzten Ziffern richtig habe, bekomme ich ebenfalls einen Gewinn – und zwar in beiden Disziplinen. Wenn ich in diesem Jahr einen Sechser hätte oder im Oktober bei Spiel 77 alle Ziffern richtig, dann käme die Lottogesellschaft nicht darum herum, mir in diesem Jahr den Sechser (in einer ansehnlichen – wie heute nicht mehr üblich – Summe) oder im Oktober eine erkleckliche Summe für die richtigen Ziffern, die für Spiel 77 ausschlaggebend sind, zu überweisen – oder in einem großen Koffer vorbeizubringen. Oder? Von mir aus auch und. Wär doch schon, oder?

Noch schöner: Ich tippe in diesem Jahr einen Sechser – und im Oktober habe ich alle richtigen Ziffern für Spiel 77 auf meinem Schein. Die eine Gewinnsumme zur anderen addiert ergibt erfahrungsgemäß dann doch einen Betrag, der zwar leicht unter der Eine-Milliarde-Grenze läge, mir aber immerhin eine anstehende Entscheidung abnimmt: Fahre ich für € 639,– oder für € 1039,– nach Peking?
Ich fahre überhaupt nicht nach Peking. China ist mir schnurzegal. Ich muss mein Geld anlegen. Stellt sich die Frage: Sicher oder mit einem klitzekleinen Risiko? Sicher in diesem Jahr – und im Oktober mit einem klitzekleinen Risiko? Sicher und riskant? Soll ich? Ich weiß nicht, das ist sicher riskant. Oder? Na und schon!

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