Wir sind die Besten! Kaum haben wir uns torkelnd vor
Überschwang aus dem Faschingskostüm geschält und mit verquollenen Augen in die
Aschermittwochsonne geblinzelt, fällt uns nichts besseres ein, als mit letzter
Kraft zum Kleiderschrank zu kriechen, das verschmierte Aschekreuz aus der christlichen
Kindheit noch auf der Stirn. Raus mit der Lederhose, den Trachtenjanker
übergeworfen, und los geht’s, auf Nockher-Berge, in Katakomben, Turnhallen und
Stadl!
Wir hier in unserer beschaulichen Stadt beschränken uns auf
Stadl und Gewölbe. Anderswo weicht der Mensch sogar auf Volksfesthallen aus,
ein Vorgehen zwar, das wir als der Tradition bewusste und jener auch
verpflichtete Bürger nicht mit ganzem Herzen gut heißen können, doch in unserer
Holledauer Großzügigkeit mit einem Lächeln tolerieren. Es ist ja auch zum
Lachen. Das Starkbier ruft – wir folgen. Wir sind am Verhungern. Diese
Fastenzeit, oh mei, oh mei! Vierzig lange Tage, auch Passionszeit genannt, möge
der Christ auf Fleisch und Wein verzichten, selbst eingeschränkter
Fernsehkonsum wird gerne als Zeichen gesetzt für bereitwillige Buße und
spirituelle Erneuerung in einer Zeit vermehrter Ruhe und Besinnung. Von wegen.
„Flüssiges bricht Fasten nicht“ lautet ein alter kirchlicher
Grundsatz, und schon starten wir los, hinein in die Starkbierzeit, so passioniert
(war da nicht was mit Passionszeit? Na also!), als ginge es ums blanke
Überleben in der Stierkampfarena. Irgendwie ja tatsächlich, denn was ein
richtiges Starkbierfest sein will, engagiert sich aus den unendlichen Reihen
der kabarettistischen und musikalischen Dienstleister ein paar Damen und
Herren, die – wie picadores und banderilleros
– uns mehr oder weniger Prominente weniger oder mehr sticheln dürfen, und wenn
schon nicht uns, dann wenigstens unsere Stiere. Der letztjährige bundesweite toro Guttenberg hat ausgedient, anbieten
mag sich jetzt ein Gespann aus Alt und Neu, hinter und vor der
Bundespräsidentenkutsche, und den Vornamen eines dieser Pferde verwenden wir
demnächst beim Patentamt in der Landeshauptstadt, wenn wir unseren
„Christianisator“ als Bezeichnung für unsere neueste Starkbierkreation anmelden
– obwohl wir, wie immer bei blumig und nachhaltig gebrauchten Namen, nicht
allzu viel Hoffnung darin setzen, dass wir die Christianisierung des
Abendlandes damit auch nur ein Stück weit voranbringen. Wer sich klaren
Verstandes im letzten Jahr angesehen hat, was eine unkontrollierte Zufuhr von
Flüssignahrungsmitteln in den Müllerbräu-Katakomben anrichten kann, muss
zugeben, dass auch der „Demokrator“ in jener Beziehung keinen Pfifferling wert
ist.
Aber gut. Was schmeckt, schmeckt; der Zither-Manä wird heuer
dazu aufspielen, und im Stocker-Stadl laufen die Stachelbären ein – in
unterschiedlichsten Kostümen. Es wird wieder ein Fest des Volkes werden, wenn
sich die Damen und Herren dortselbst auf der Bühne die satirischen Bällchen
zuwerfen. Als des Volke(r)s Stimme schreibt übrigens und neuestens einer der
Bären in einem Lokalblatt eine Kolumne, für diejenigen wohl, die keinen Durst
haben oder den Weg zu den Holzsäulen des Stadls nicht finden. Oder sich Zeit
nehmen, bescheiden zu überlegen, ob die Volksfestzeit als des Schlafes Luder
genügt, dass wir weiterhin diesen Ködern auf den Leim gehen, die uns schwindelnd
durchs Jahr schwingen von Höhepunkt zu Höhepunkt – bis er uns dann endgültig
hat, der große Schlaf. Uns, die Besten.
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